GOT BAG – Meeresplastik auf der Schulter

Früher PET-Flasche, heute schickes Accessoire und Reisebegleiter – mit ihrem Start-up GOT-BAG haben Gründer Benjamin Mandos und seine Mitarbeiter eine Idee umgesetzt, die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit vereint. Das Plastik, das indonesische Fischer aus dem Meer holen, wird zu Rucksäcken verarbeitet, die praktisch, ökologisch und stylisch sind.

Vor gut zwei Monaten sorgte ein Video von Greenpeace UK in den Sozialen Medien für Furore. Der englische Premierminister steht vor No. 10 Downing Street und hält eine Rede. Sein Blabla wird erstickt durch einen Tsunami aus Plastikmüll, der ihn und die Fotografen wegspült und sich durch die Straßen von Westminster ergießt (#Wasteminster). Zum Schluss kommt der Müllberg mit der Puppe Johnson vor Kindern mit sorgenvollen Blicken zum Stehen. Der Clip endet mit der Einblendung: „Das ist der Berg an Plastikmüll, den Großbritannien jeden Tag in andere Länder verschifft. Müll, der angeblich recycelt wird, wird im Ausland verbrannt.“ So spektakulär und prägnant wurde das Problem Plastik selten in Szene gesetzt.

Youtube / Wasteminster: A Downing Street Disaster

Es dürfte inzwischen kaum jemanden geben, dem das Problem Plastikmüll nicht bewusst ist, und sei es auch nur, dass er oder sie auf den Plastikstrohhalm im Cocktail verzichten muss. Zumal inzwischen auch der Gesetzgeber gehandelt hat. So sind seit dem 3. Juli EU-weit viele Einwegplastikprodukte verboten. Doch da der Handel vorhandene Produkte noch abverkaufen darf, wird es tatsächlich noch eine Weile dauern, bis der Drink in der Bar ohne Plastikstrohhalm serviert wird.

Ein Start-up-Unternehmen, das sich schon etwas länger gegen die Vermüllung der Meere mit Plastik engagiert, ist GOT-BAG aus Mainz. Genauer gesagt war es 2016, als zwei Freunde beschlossen, eine Idee in die Tat umzusetzen, an dessen Ende ein modisches Produkt steht, dem man nicht mehr ansieht, dass es ursprünglich eine weggeworfene PET-Flasche war.

Vom Segler und Surfer zum Weltverbesserer

2018 wurde schließlich die Idee, Plastikflaschen aus dem Meer zu recyceln und daraus stylische Rucksäcke herzustellen, in die Tat umgesetzt und GOT-BAG gegründet. Zwei Jahre später tritt das Start-up-Unternehmen bereits den Beweis an, dass die Umsetzung einer nachhaltigen Idee profitabel sein kann. GOT-BAG ist „gebootstrapped“, wie es im Fachjargon heißt. Das bedeutet, es hat es ganz aus eigener Kraft – ohne fremde Finanzinvestoren – geschafft, ein Unternehmen auf die Beine zu stellen, das wirtschaftlich arbeitet. 2020 wurden rund 30.000 Teile verkauft – dazu gehören neben den Rucksäcken und Daypacks auch Kulturbeutel, Laptoptaschen, Accessoires und Merchandise-Produkte.

Benjamin Mandos, Gründer und Geschäftsführer von GOT BAG

Von den zwei Freunden arbeitet inzwischen nur noch Benjamin Mandos im Unternehmen. Doch die Ursprungsidee beruht auf der besonderen Beziehung zum Meer, die beide seit Kindheit und Jugend teilten. Benny fuhr mit seinem Vater zum Segeln, Roman war Surfer. Beide verband die Leidenschaft, diesen besonderen Lebensraum zu erhalten und etwas gegen die zunehmende Umweltverschmutzung zu tun. In einem Kampagnenvideo von 2019 erläutern Sie ihre Beweggründe und wie ihre Idee entstand. Der eindrücklichste und simpelste Satz des dreiminütigen Videos: „We eat plastic“.

Youtube / GOT BAG Kickstarter Campaign Video

Vielen von uns, die gerne Fisch essen, muss klar sein, dass das was ins Meer gespült wird, letztlich zurück auf unserem Teller landet und schließlich in unserem Magen. Denn die Kunststoffe, die so sorglos im Meer entsorgt werden, haben eine lange „Lebenszeit“. Selbst nach 400 Jahren sind Produkte aus Plastik nicht vollständig zersetzt und werden von Fischen und Meerestieren aufgenommen.

Dank der Initiative von GOT-BAG gibt es heute ein Netzwerk von 2000 indonesischen Fischern, die vor der Küste Javas statt auf Fischfang auf Plastikmüll-Fang gehen. Finanziell ist diese Beschäftigung für sie inzwischen lukrativer als der traditionelle Fischfang. Bezahlt werden die Fischer pro Kilogramm Plastik. GOT-BAG steht in engem Kontakt mit den lokalen Ansprechpartnern. Ein Mitarbeiter ist oft vor Ort, um das Clean-Up-Programm zu steuern.

Youtube / GOT BAG Clean-up Indonesien

Wie aus Meeresplastik ein modischer Rucksack wird

Nicht jedes Plastik, das die indonesischen Fischer sammeln, eignet sich für die Herstellung der Rucksäcke. Dennoch werden die wertigen Pet-Flaschen erst an Land aussortiert. Sie werden aufwändig gereinigt und erst zu Flocken, dann zu Pellets verarbeitet. Im chinesischen Quanzhou wird aus den Pellets ein robustes Garn, aus dem dann die Backpacks und Laptoptaschen entstehen.  Durch eine umweltfreundliche Polyethuren-Beschichtung werden dann die Taschen wasserabweisend.

Vom Müll zum neuen Produkt

Was geschieht mit dem restlichen Plastik?

Laut Pressesprecher Martin Steinbach fließen nur etwa zehn bis 15 Prozent des eingesammelten Plastiks in die GOT-BAG-Produktion. Inzwischen gibt es eine Kooperation mit zwei weiteren Partnern – CleanHub und Indocement. So wird gewährleistet, dass auch der Rest mit Hilfe von innovativen Verfahren weiterverarbeitet wird. Indocement mit Sitz in Jacarta – ein Tochterunternehmen von HeidelbergCement – nutzt nicht recycelbares Plastik zur Wärmegewinnung. CleanHub, ein Berliner Start-up, kümmert sich um die sichere Beseitigung von Plastik und Verbundstoffen, die nicht regulär recycelt werden können. Über ihre Plattform können Unternehmen plastikneutral werden, d.h. ein Zertifikat erwerben, das Projekten wie dem Clean-Up-Programm von GOT-BAG hilft, Plastik aus der Umwelt zu bergen.

Farbig, schick, Öko

Etwa 3,5 Kilogramm dieses Meeresplastik stecken in einem fertigen GOT-Bag-Rucksack, im Daypack für 89 Euro sind 2,5 Kilogramm verarbeitet. Und mit den Rucksäcken kann sich die Businessfrau, der Hipster, die Studentin und der CEO sehen lassen. Das erste und schlichte Modell ist immer noch das beliebteste: der Rolltop Backpack in Schwarz für 149 Euro. Dank des Rolltop lässt sich die Größe anpassen und das zeitlose Design machen ihn zum Weg- und Reisebegleiter in allen Lebenslagen. Es gibt ihn auch in pastelligen Farben – einfach schick.  Derzeit ist der Online-Shop wegen der Corona-Krise und den Lieferengpässen geschlossen. Aber sobald er wieder geöffnet hat, kann man den Rolltop-Rucksack aus Meeresplastik in den Farben Sand, Algae, Reef und Ocean bestellen.

Schick und nachhaltig

Zu den Händlern, die GOT-BAG-Produkte in ihr Sortiment aufgenommen haben, gehören Kauf Dich glücklich, Glore in Nürnberg. Saltwater Shop (Hamburg, Heiligenhafen, Travemünde, Sylt), Backyard (Hamburg, Münster) und peoples Place (Mainz, Wiesbaden). Auch der Einzelhandel in den Niederlanden und in Großbritannien vertreibt GOT-BAG-Taschen und Accessoires, zum Beispiel in Holland Carl Denig und The Good Gift Store, in Großbritannien „Surfboards UK“. Interessierte finden Geschäfte über den eigenen Store-Finder: https://got-bag.com/pages/store-locator 

Die Rucksäcke haben so gar nichts vom alternativen Touch, den man noch mit der Anfangszeit der Öko-Bewegung in Verbindung bringt. Der Rolltop und NoRolltop sind ein echter Hingucker und dazu sehr praktisch. Das sehen auch Influencer so und wer auf Youtube nach GOT-BAG sucht, gelangt u.a. zu dem Video von Angela Sealana, die den Rucksack genau unter die Lupe nimmt und ihn rundherum empfiehlt.

Auch in den USA werden nun die Küsten sauberer

Auch über Europas Grenzen expandiert das junge Unternehmen. Seit August 2019 ist GOT BAG in den USA tätig; in Portland/Oregon sind aktuell vier MitarbeiterInnen beschäftigt. In Zusammenarbeit mit anderen Brands wurde vor kurzem ein Clean-Up-Event an der Westküste organisiert. Zuvor wurden die Strände Hawaiis in Zusammenarbeit mit Sustainable Coastlines Hawaii von den Nachlassenschaften unserer Konsumgesellschaft gesäubert.

Diese Aktionen mögen ein Tropfen auf dem heißen Stein sein, aber die Initiativen sind mehr als ein symbolisches Zeichen. Mit ihrem Engagement, die gesamte Produktion und Lieferkette ihrer Backpacks nach nachhaltigen Kriterien zu gestalten, ist das Mainzer Start-up ein Vorbild nicht nur für Unternehmen der Fashionindustrie, wo noch sehr vieles im Argen liegt.

www.got-bag.com

Text: Susanne Frank
Bilder: GOT BAG

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