Zunehmend erobert eine spezielle Sorte von E-Bikes sowohl die urbanen Räume wie eine ausgesprochen junge und dem Zeitgeist frönende Käuferschicht. Kennzeichen dieser Bikes ist, dass alles weggelassen wird, was z.B. klassische Trekking-E-Bikes auszeichnet und diese für längere Strecken firm, aber auch schwer macht. Die neue Generation von stylischen Urban-E-Bikes wiegt hingegen weit unter 20 Kg, ist als E-Bike kaum erkennbar, besitzt Akkus mit selten mehr als 250 Wattstunden und kommt damit ca. 50 Kilometer weit. Ausreichend für die Stadt.
Joko Winterscheidt und Andy Weinzierl haben dieses „Weniger-ist-mehr“ Prinzip mit ihren Leichtgewichts-Bikes der Marke Sushi ziemlich konsequent interpretiert. Wir hatten die Gelegenheit, das Modell California Roll C 1 einige Tage probe zufahren.
Charakteristik
Das Modell wendet sich an eine relativ genau definierte Zielgruppe, nämlich ein junges Großstadtpublikum, sportlich, designbewusst und hip. Diesem Kundenkreis verlangt das Shushi-Bike grundsätzlich gewisse Nehmerqualitäten ab, denn das Modell komfortabel zu nennen, wäre schlicht falsch. Tatsächlich ist es beinhart, weder die dünnen Reifen noch die Gabel, zwar aus Stahl, aber ohne dämpfende Vorbiegung oder eine Federsattelstütze tragen dazu bei, Stöße abzumildern. Und auch der Alu-Rahmen bietet so gut wie keine Elastizität. Der Hersteller nimmt jedoch Komforteinbußen bewusst in Kauf, um dafür ein ausgesprochen design-orientiertes und cleanes Produkt anzubieten, das in gewissem Sinne den Zeitgeist auf zwei Rädern bündelt. Kunstleder-Applikationen bei Griffen und Sattel setzen optische High-Lights und das „Kein Gramm zuviel“-Programm spiegelt sich auch im Rahmendesign wider. Allenfalls der hier montierte praktikable und stabile Gepäckträger ist ein Zugeständnis an die alltägliche Praxis, in der es dann doch bisweilen nicht genügt, seine Siebensachen modisch korrekt per Rucksack auf dem Rücken zu befördern. In einem Punkt haben Winterscheidt & Co noch eins draufgesetzt, indem sie – ebenfalls ganz dem Trend entsprechend – auf eine Gangschaltung verzichtet haben. All das ermöglicht es ihnen, das Bike für gerade einmal eintausend Euro unters kostenbewusste Jungvolk zu bringen.
Komponenten
Vorhanden ist gerade so viel wie notwendig, aber es ist alles da was man braucht. Dabei genügen auch mechanische Scheibenbremsen, besonders angesichts des geringen Gewichts von gerade mal sechzehn Kilogramm. Erwähnenswert auch, dass trotz der radikalen Schlankheitskur doch ein kleines Display vorhanden ist, auch wenn die Anzeige im Sonnenlicht nicht immer zu erkennen ist.

Pluspunkt: der stabile Heck-Gepäckträger, an dem sich problemlos Gepäcktaschen einhängen lassen und der lobenswerter Weise beidseitig Einhänge-Ösen aufweist, so dass auch auf der Fläche so manches Transportgut sicher untergebracht werden kann.
Dass die Ständeraufnahme ganz old-fashened beim Tretlager ansetzt, ist nicht optimal, fällt aber angesichts des geringen Gewichts auch nicht störend auf. Zumal das zulässige Gesamtgewicht mit angegebenen 110 Kilogramm die Zuladung ohnehin beschränkt. Kindersitze und ähnliches lassen sich, wenn die Zuladungsgrenze eingehalten wird, problemlos anbringen. Die schlanken Schutzbleche, sowie breite und rutschfeste Pedale tragen das Ihrige zur City-Tauglichkeit bei.

Fahren
Das Rad kommt etwas schwer in Gang. Dies ist im PAS-System begründet, das nur ein Signal – Pedal rotiert oder steht still – kennt. Mit seiner systembedingten Reaktionsträgheit ist es hier, im Verein mit der fehlenden Gangschaltung, ein kleiner Spielverderber.
„Politisch“ ist das aber korrekt, denn das „aus dem Sattel gehen“ beim Anfahren gehört nun mal mit zum guten Ton. Einmal im Rollen, ist durchaus Genuss angesagt, solange keine wirklichen Steigungen im Weg sind. Die Übersetzung (46 zu 38 Zähne) ist so ausgelegt, dass bei knapp 25 km/h eine Kadenz von ca. 80 Kurbelumdrehungen anliegt. Eine gute Auslegung – Leichtigkeit bestimmt durchgängig das Gefühl.
Von den drei Unterstützungsstufen wird wohl meist die höchste gewählt werden, allein hier macht die Kraftspritze richtig Spaß. Das 24-Volt-System und der nur 200 Watt (Nennleistung) leistende Motor-Winzling halten die Kosten niedrig. Letzterer ermöglicht ganz beachtliche Reichweiten von 40 bis gut 50 Km, ohne dass man eine mickrige Unterstützung bemängeln könnte.

Der Hit ist der 800 g leichte Akku, der zudem über eine USB-Ladebuchse verfügt und als Zweit- oder Ersatz-Akku nur mit 199 Euro zu Buche schlägt. Wer ein wirklich harter Kerl ist, kann also gegen geringes Aufgeld dann auch über 100 Kilometer pro Fahrt zurücklegen.
Klar, etwas breitere Reifen wären aus Komfortgründen wünschenswert, daneben eine Federgabel und eine Kettenschaltung. Hier wäre eine Möglichkeit des Konfigurierens gefragt. Aber das Sushi-Konzept hat auch dieses bedacht. Standardmaße und-Aufnahmen ermöglichen problemlos Upscaling auf breitere Reifen, bequemeren Sattel oder Sattelstütze. Fast alles ist sogar im Sushi-Zubehörshop verfügbar. Nur andere Reifen und ergonomische Lenkergriffe sowie eine Federgabel müsste man sich anderswo besorgen, montieren ließe sich auch eine solche ohne Probleme.
Vertrieb
Sushi Bikes gibt es bei etwa zwei Dutzend Händlern in Deutschland, wo die Bikes auch probe gefahren werden können. Ansonsten kommt das Bike per Lieferservice mit zusätzlich 49 Euro Versandkosten, die bei einem Bestellwert ab 1.100 Euro entfallen. Außer dem California gibt es noch das Modell Maki, mit Herrenrahmen und zum gleichen Preis, aber ohne die „Kompromiss-Ausstattung“ (Ständer, Schutzbleche, Gepäckträger, Licht).
Fazit
Das Sushi-E-Bike ist zielgenau auf ein modernes, urbanes Klientel ausgelegt. Die Bedürfnisse dieser Zielgruppe trifft es sehr gut. Aber die Macher haben auch sehr feinfühlig erspürt, wo die Grenzen liegen und Schutzbleche und Gepäckträger integriert. Wer noch „hipper“ sein will, kann das Bike ja strippen und sich als „dedicated follower of fashion“ an einem dann nur noch etwas über zehn Kilo wiegenden Bike erfreuen – oder eben auf das Maki zurückgreifen.
Natürlich muss man bei einem Bike, das nur soviel kostet wie manche Baumarktware, Abstriche, etwa bei den Komponenten machen, unangenehm aufgefallen ist uns das auf den wenigen hundert Kilometern „Testride“ jedoch nicht.
Text: Werner Köstle
Bilder: Peter Grett, Sushi Bikes