E-Biker – Klimasünder oder Umweltengel?

Auf den ersten Blick scheint die Sache klar zu sein: wer ausschließlich mit eigener Muskelkraft ein Fahrrad bewegt oder öffentliche Verkehrsmittel benutzt, trägt zur Umweltentlastung bei, E-Biker sorgen dagegen für einen Anstieg von Emissionen.

Negative Umweltwirkungen

Für die Akkuherstellung von Pedelecs werden kostbare Rohstoffe benötigt, die oft unter menschenverachtenden und ausbeuterischen Umständen gefördert werden. Dass dies jahrzehntelang etwa in Bezug auf Batterien für Abermilliarden Laptops oder Handys kaum jemanden zu stören schien, macht die Sache nicht besser. Hinzu kommt der Energieeinsatz für die Herstellung der Stromspeicher, der wesentlich dazu beitragt, dass ca. 80 Prozent der CO2-Emissionen im Lebensweg von E-Bikes bereits vor dem Fahren entstehen. Und schließlich wird auch noch Strom für den Betrieb der Elektroräder verbraucht.

So einfach ist die Sache gottlob jedoch nicht, auch wenn die negativen Umweltauswirkungen speziell bei der Herstellung der E-Bikes nicht von der Hand zu weisen sind. Selbstverständlich müssen die benannten Probleme angegangen werden, etwa indem die Hersteller ihre Lieferketten genauer unter die Lupe nehmen und künftig mehr darauf achten, aus welchen Quellen die Rohstoffe stammen oder unter welchen Arbeits- und Umweltbedingungen v.a. in den Zulieferländern gearbeitet wird. Auch in verbesserte Recycling-Prozesse muss künftig verstärkt investiert werden.

Die gute Seite der Medallie

Besonders auf Strecken bis ca. 15 Kilometer können viele Autofahrten durch Pedelecs ersetzt und damit die Umwelt wie auch der PKW-Verkehr entlastet werden. So legen Nutzer von Elektrorädern längere Strecken auf dem Arbeitsweg zurück als RadlerInnen. Ein deutlicher Hinweis auf das höhere Substitutionspotential von Autofahrten durch Bikes mit eingebautem Rückenwind. Konkret: Wer sich überlegt, zumindest partiell etwa bei schönem Wetter vom Auto auf ein Zweirad umzusteigen, dem fällt die Entscheidung leichter, wenn er/sie dabei ein E-Bike nutzen kann.

E-Biken auf dem Arbeitsweg bringt den Kreislauf in Schwung ohne dabei ins Schwitzen zu kommen

Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) beziffert das Verhältnis der Energiebilanz zwischen E-Bike und Auto auf 1:30, andere Berechnungen auf der Basis von höheren Grundannahmen bezüglich der Reichweite des Pedelecs und der Größe des Autos, kommen gar auf einen 115-fachen CO²-Ausstoß des Autos.

Auch fallen die Klimawirkungen von Pedelecs gegenüber einem verbrennungsmotorischen Roller und überraschenderweise sogar gegenüber der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel etwa 5 Mal niedriger aus. Und dies, obwohl in diese Berechnungen nicht nur der Energieeinsatz beim Fahren, sondern auch der der Herstellung, Wartung und Entsorgung einfließen.

E-Bike- statt Auto-Fahrten

Das Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) liefert in seiner Studie „Pedelection – Verlagerungs- und Klimaeffekte durch Pedelec-Nutzung im Individualverkehr“ interessante Erkenntnisse.

Qualitative Interviews ergaben, dass viele Menschen schätzen, durch das E-Bike wieder mehr mit der Außenwelt verbunden zu sein. Bewegung in frischer Luft statt Abschottung im Auto war ein häufig genanntes Argument für den Umstieg. Besonders PendlerInnen genießen die Zeit vor und nach der Arbeit. Nicht zuletzt dürfte für manche auch der Aspekt eine Rolle spielen, dass man gerade in der Rushhour mit dem Pedelec meist schneller vorankommt, als mit dem im Stau steckenden PKW.

Die geschilderten Befunde werden auch durch Zahlen belegt. So wurden 45 Prozent der Pedelec-Kilometer vorher mit dem PKW zurückgelegt, 32 Prozent mit dem Fahrrad, 7 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln und 10 Prozent gar nicht. Bei Pendlern war der Ersatz des Autos mit 62 Prozent gegenüber der Substitution des Fahrrades mit 18 Prozent sogar noch merklich höher. Fazit: Die Nutzung von E-Bikes erfolgt überwiegend anstelle von Transportmitteln mit höherem Emissionsausstoß. Dabei wurden nicht allein die ersetzten Wege, die Herstellungs-, Betriebs-, Entsorgungskosten in der Studie berücksichtigt, sondern auch Wetterbedingungen, Fahrtradius oder das Alter, Geschlecht und die Berufstätigkeit der E-BikerInnen.

Effekte des Umstiegs

Durch die in der IFEU-Studie ausgewiesenen Verlagerungseffekte könnten bis zum Jahr 2030 jährlich ca. 1,1 bis 1,5 Millionen Tonnen CO² eingespart werden. Auch die durch den Umstieg zunehmende Verringerung der Stickoxid-Emissionen schlägt positiv zu Buche, was besonders Anwohnern von vielbefahrenen PKW-Straßen zugutekommt. Weitere Substitutionswirkungen sind infolge des, durch attraktive Förderprogramme zusätzlich forcierten, vermehrten Einsatzes von Lasten-Pedelecs für den städtischen Warentransport oder die Mitführung von Kindern zu erwarten. Nicht umsonst ist auf manchen Cargo-E-Bikes der Slogan „Ich ersetze ein Auto“ zu lesen.

Vor allem auch durch Lasten-E-Bikes lassen sich städtische Autofahrten ersetzen

Laut Umweltbundesamt verursacht die Produktion eines Pedelec-Akkus zwischen 55 und 75 kg CO²-Emissionen je Kilowattstunde. Wenn mit dem Elektrorad ein Auto ersetzt wird, sind die Emissionen nach 165 geradelten statt gefahrenen Kilometern beglichen. Noch schneller gleicht sich natürlich die Herstellung des Akkus aus, wenn der Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommt.

Der Fahrstromverbrauch würde selbst bei einer Annahme, dass die Hälfte aller Fahrräder über einen E-Motor verfügt und mit ihnen doppelt so weite Distanzen wie mit rein muskulär angetriebenen Rädern zurückgelegt werden, nicht einmal mit einem Tausendstel des jährlichen deutschen Stromverbrauchs zusätzlich zu Buche schlagen.

Insgesamt kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Nutzung von Pedelecs insbesondere durch ihr hohes Substitutionspotentials von Autofahrten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leistet.

Französische Mobilitätsrevolution

Wie das Magazin „Vision Mobility“ jüngst berichtete, gilt in Frankreich die Abwrackprämie für alte Autos von bis zu 2500 Euro künftig auch für die ersatzweise Anschaffung von Pedelecs oder Lastenrädern. Dies belegt eindrucksvoll, wie hoch die Chancen inzwischen auch in der Politik eingeschätzt werden, durch den Einsatz von Elektrorädern eine essentielle Zahl von Autofahrten zu ersetzen und damit Abgas- und Lärm-Emissionen zu senken.

Alte Autos sollen im Nachbarland erstmals nicht nur gegen ein neues, umweltfreundlicheres Auto, sondern wahlweise auch gegen ein E-Bike eingetauscht werden können. Die Regierung beschloss damit eine bisher einzigartige Form der Abwrack-Prämie, die es ermöglicht, alte Autos durch neue E-Bikes zu ersetzen. Das Magazin zitiert die Verkehrsministerin (!) Barbara Pompili mit ihrem bemerkenswerten Statement:

„Jahrzehntelang haben wir Einkaufszentren mitten auf die grüne Wiese gesetzt. Man hat Flugverbindungen geschaffen, um zwei Eisenbahnstunden von Paris entfernt Meetings abzuhalten. Man hat es erlaubt, dass Autos in den Innenstädten unsere Lungen verschmutzen (…) All das ist absurd, das muss beendet werden.“

Gefördert werden sollen nicht nur E-Bikes mit zwei, sondern mit einer beliebigen Zahl von Rädern. Dies könnte vor allem auch die Anschaffung von Lastenrädern befördern.

Auch vierrädrige E-Bikes profitieren von der französischen Abwrackprämie

Links:

Studie des IFEU-Instituts: https://www.ifeu.de/projekt/pedelection/

Artikel im Magazin „Vision Mobility“:

https://vision-mobility.de/news/e-bike-statt-auto-frankreichs-revolutionaere-abwrackpraemie-84034.html

Text: Peter Grett

Bilder von oben: R Raymon, Biketec, Riese+Müller, BioHybrid

Anmerkung des Autors:

Mir ist bewusst, dass in der zulassungsrechtlichen Einordung ein essentieller Unterschied zwischen E-Bikes und Pedelecs besteht. Bei der weitaus überwiegenden Zahl der Elektroräder in Deutschland handelt es um Pedelecs, deren motorischer Antrieb an den Einsatz von Muskelkraft gekoppelt ist. Da sich jedoch inzwischen die Verwendung des Wortes „E-Bike“ als Sammelbegriff für alle Fahrräder mit elektrischem Antrieb etabliert hat, verwenden wir, um keine Verwirrung zu stiften, diese Bezeichnung ebenfalls. Obgleich es sich dabei streng genommen in der Regel um Pedelecs handelt, schreiben wir meist von „E-Bikes“, gelegentlich aber auch – zur Vermeidung sprachlicher Monotonie – von „Pedelecs“.

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