Ende letzten Jahres erschien mit dem ENYAQ der erste Škoda-Stromer, der wie der ID.4 von VW auf dem dort entwickelten MEB-Baukasten basiert. In der letzten Woche hatten wir nun die Gelegenheit, kurz Bekanntschaft mit dem ENYAQ zu machen – für zwei Stunden stand uns das aktuelle Topmodell ENYAQ iV 80 zur Verfügung. Das ist nicht ausreichend für einen aussagefähigen Test, wohl aber für ein erstes Kennenlernen. Und der erste Eindruck ist ja oft der wichtigste, egal worum es geht!
ENYAQ iV 80 – Topmodell mit großem Akku
Alle bisher verfügbaren Modelle, also iV 50 (55 kWh-Akku, 148 PS, über 350 km Reichweite/WLPT), iV 60 (62 kWh-Akku, 180 PS, über 400 km Reichweite nach WLPT), und iV 80 (77 kWh-Akku, 204 PS, knapp 500 km Reichweite nach WLTP) werden an der Hinterachse angetrieben. Die Topmodelle iV 80X mit 265 PS, sowie der ENYAQ vRS mit 306 PS und Allradantrieb sind derzeit nur angekündigt, sollen aber im Laufe diesen Jahres erscheinen.
Der iV 80 erledigt den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h im Kickdown in gut acht Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit ist bei 160 km/h abgeregelt – damit kommt man in allen Lebenslagen gut voran.
Der ENYAQ nutzt die MEB-Plattform des VW-Konzern, hat aber optisch keine Gemeinsamkeiten mit dem auf derselben Plattform basierenden ID.4. Die große Heckklappe verbirgt einen geräumigen und aufgeräumten Laderaum, die Ladekabel und sonstiges Zubehör sind unter einer Klappe unterhalb des Ladebodens gut aufgeräumt. Mit dem serienmäßigen Ladekabel kann der iV 80 (und der iV 60) mit 11 kW geladen werden, das Basismodell iV 50 schafft bis zu 7,2 kW. Beim ENYAQ iV 60 und iV 80 ist gegen Aufpreis eine erhöhte Batterie-Ladeleistung (DC) auf 100 bzw. 125 kW inklusive 1 Jahr enthaltener Grundgebühr bei IONITY zu haben.
Assistenzsysteme up-to-date
Technisch ist der ENYAQ selbstverständlich up-to-date mit Spurhalteassistent, Abbiegeassistent, Tempomat, Frontradar mit Fußgänger und Radfahrererkennung sowie City-Notbremsfunktion, Einparkassistent, LED-Hauptscheinwerfern und Zweizonen-Klimaanlage. Beim iV 80 wird das Paket komplettiert durch eine Front- und eine Rückfahrkamera mit Parksensoren. Unterstützung für Apple AirPlay und Android Auto ist serienmäßig. Umso unverständlicher ist hingegen, dass das Navigationssystem bei allen Varianten nur gegen Aufpreis frei geschaltet wird!
Die inneren Werte
Der geräumige Innenraum des iV 80 präsentiert sich freundlich und hochwertig, Platz bietet der Tscheche vorne wie hinten mehr als ausreichend. Vorne sitzt man königlich mit viel Platz auf gut konturierten, elektrisch einstellbaren Ledersitzen, auch im Fond ist reichlich Platz mit viel Kopf und Fußraum.
Ein 5,3 Zoll großes Display vor dem Fahrer liefert die wichtigsten Infos von der Geschwindigkeit über Reichweite, Navigation bis zum Status der Assistenzsysteme. Ein zweites Display mit 13 Zoll Diagonale thront mittig auf dem Armaturenträger. Dieses Touch-Display ersetzt konventionelle Bedienelemente fast vollständig, alle Einstellungen erfolgen entweder auf dem Touchscreen oder der gut funktionierenden Sprachsteuerung, die im Testwagen mit der Aufforderung „Hey Laura“ aktiv wird und ohne jedes Training überzeugend funktioniert.
Überfrachtete Benutzerführung auf dem Display
Das ist auch gut so, denn die Benutzerführung auf dem Display ist recht überfrachtet, auch einfache Dinge wie Senderwahl im Radio oder eine Verbrauchs- und Kilometer-Anzeige muss man per Touchscreen durchführen. Eigentlich dürfte man während der Fahrt keine Einstellungen vornehmen, weil das mehr Aufmerksamkeit erfordert als das bei strenger Strafe verbotene hantieren mit dem Handy! Das ist allerdings kein exklusives Skoda-Problem, sondern eine generelle Entwicklung bei modernen Autos! Darauf angesprochen, meinte der Škoda-Mitarbeiter nur lakonisch, dass man sich damit abfinden müsse, so seien moderne Autos nun mal.
Verschärft wird das Problem dadurch, dass unter dem Display doch noch ein paar Tasten platziert sind, die man beim Bedienen des Displays oft versehentlich berührt, was zu unerwünschten Situationen führen kann, wenn man eigentlich nur den Radiosender wechseln möchte, aber stattdessen plötzlich der Warnblinker aktiviert wird oder die Klimaanlage mit Volldampf das Blasen anfängt. So gelang es während der kurzen Testfahrt trotz intensiver Bemühungen nicht, den aktuellen Verbrauch und die zurückgelegte Strecke anzuzeigen. Bei der Rückgabe zeigte der Verleiher uns dann, wie das geht: Eigentlich ganz einfach – wenn man weiss, wie es geht!
Fahreindruck
Diese Disziplin meistert der ENYAQ souverän. Die im Wagenboden zwischen den Rädern platzierten Akkus sorgen für einen tiefen Schwerpunkt, das Fahrverhalten auch in Kurven ist hervorragend, die Federung komfortabel und langstreckentauglich. Die Lenkung ist leichtgängig und direkt, mit gutem Fahrbahnkontakt. Auffällig ist der sehr kleine Wendekreis von nur 9,3 Metern, der den Wagen wendiger macht als es viele seiner SUV-Kollegen sind. Die verfügbare Leistung paßt perfekt zum entspannten Fahrgefühl des Tschechen, die Beschleunigung ist gut, aber nicht brachial und die mögliche Topspeed reizt man – immer die Rest-Batterieanzeige im Auge – ohnehin selten aus!
Ein Getriebe in dem Sinne gibt es nicht, der kleine Schalter in der Mittelkonsole kennt nur die Fahrmodi vorwärts, neutral/Leerlauf und rückwärts, sowie einen Modus „B“ für den Stadtverkehr, bei dem die Rekuperation am stärksten wirkt. In diesem Modus ist das Einpepedalfahren bis zum Stillstand möglich, was im Stadtverkehr sehr angenehm ist. Die Assistenzsysteme erledigten ihren Job unauffällig und ohne Aussetzer, lediglich die Einstellung der Rekuperation über die Paddle hinter dem Lenkrad ist ein bißchen gewöhnungsbedürftig.
Verbrauch und Reichweite
Wir erhielten den Wagen mit einem nach Auskunft des Händlers zu 70% gefüllten Akku, auf dem Display wurde kurz nach der Abfahrt eine Reichweite von 285 Kilometern angezeigt. Hochgerechnet auf 100% ergibt das eine tatsächliche Reichweite von etwa 400 Kilometern – nicht schlecht, aber deutlich hinter den WLPT-Angaben im Prospekt. Am Ende der eher gemütlichen Testfahrt mit lediglich knapp 20 Kilometern Autobahn zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 19,9 kWh/100 km und eine Rest-Reichweite von 219 Kilometern; der Prospekt verspricht 16 kWh auf 100 Kilometer.
Angesichts des Fahrzeuggewichts von gut zwei Tonnen und der Größe ist dieser Verbrauch akzeptabel, aber nicht weltbewegend. Positiv hingegen ist die Tatsache, dass der ENYAQ Anhänger mit einem Gesamtgewicht von bis zu 1.400 Kilogrammziehen darf, bei Stromern eine noch nicht ganz selbstverständliche Eigenschaft!
Technische Daten im Überblick
Abmessungen |
4.649 x 1.879 x 1.616 mm, Radstand: 2.765 mm |
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Modell | ENYAQ iV 50 | ENYAQ iV 60 | ENYAQ iV 80 | ENYAQ iV 80x | ENYAQ iV RS |
Kraftübertragung | 4 x 2 | 4 x 2 | 4 x 2 | 4 x 4 | 4 x 4 |
Spitzenleistung | 109 kW (148 PS) | 132 kW (180 PS) | 150 kW (204 PS) | 195 kW (265 PS) | 225 kW (306 PS) |
Max. Drehmoment | 220 Nm | 310 Nm | 310 Nm | 425 Nm | 460 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 11,4 s | 8,7 s | 8,5 s | 6,9 s | 6,2 s |
Top Speed | 160 km/h | 160 km/h | 160 km/h | 160 km/h | 180 km/h |
Reichweite (WLTP) | 340 km | 390 km | 510 km | 460 km | 460 km |
Preis (inklusive 19% MwSt) | 33.800 Euro | 38.850 Euro | 43.950 Euro | ca. 46.000 Euo | ca. 50.000 Euro |
Mehrwertsteuer angeboten, dafür erhält man serienmäßig eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik, Multifunktions-Lederlenkrad, Keyless-Go, digitalen DAB-Radioempfang, SmartLink-Technologie für die Smartphone-Integration und LED-Scheinwerfer. Von diesem Listenpreis kann man noch die staatlichen Förderungen abziehen, womit der Basis-ENYAQ aktuell bereits für gut 24.000 € zu haben sein wird. Das Topmodell ENYAQ iV 80 Sportline steht steht ab 45.000 € in der Preisliste und bleibt damit nach Abzug der Fördermittel knapp unter der 40.000-€-Grenze. Dazu kommt, dass Škoda eine Lieferzeit von nur wenigen Monaten verspricht, man also nicht endlos auf das neue Stromerglück warten muss!
Text: Jörn Müller-Neuhaus
Fotos: Jörn Müller-Neuhaus, Škoda