China-Stromer BYD SEAL – ein Tesla-Konkurrent? Definitiv.

Große Worte? Clickbait? Wissen wir nicht, wovon wir reden? Mitnichten. Wir konnten den BYD SEAL Excellence „erfahren“, und das auf der e-engine Normrunde. Das Auto hat uns nachhaltig beeindruckt. Aber der Reihe nach.

Exterieur
Die Formensprache des SEAL ist konsensfähig. Will sagen, nichts an dem Auto stört das ästhetische Empfinden, das freilich subjektiv ist. Die Linienführung zeigt bereits eindrucksvoll, dass die BYD-Designer ganze Arbeit geleistet haben. Die Silhouette ist niedrig, der cW mit 0,219 Weltklasse. Zusammen mit der relativ kleinen Stirnfläche bringt das schon mal Reichweite. Und dann sind da die Kleinigkeiten, wie die herausfahrbaren Türklinken, die das Öffnen des Fahrzeugs erleichtern und Fingernägel schonen oder dem 3.8-Schriftzug hinten, der den Spurt von 0 auf 100 km/h signalisieren soll.

BYD SEAL Excellence: Bildschöner Stromer, der dank hervorragender Aerodynamik und exzellentem Fahrwerk auf allen Straßen brilliert …

Technik
Der SEAL basiert auf der neuesten Plattform-Iteration von BYD, der e-Plattform 3.0. Die ist ausschließlich für Elektrofahrzeuge entwickelt worden. Die wichtigsten Eckpunkte sind eine hochmoderne Cell-to-Body Technologie, die nicht zuletzt eine Verwindungssteifigkeit mit sich bringt, die normalerweise nur Sportwagen aufweisen. BYD stellt seine eigenen Batterien her und ist bekannt für seine Blade-Technologie. Auch im SEAL wurde darauf zurückgegriffen, natürlich verwendet man LFP-Batterien (ohne Nickel, Kobalt und Mangan), die nicht nur langlebiger, sondern auch noch weit weniger anfällig für Brände sind. Ein Thermal Runaway wie bei NCM-Batterien ist bei dieser Technologie so gut wie ausgeschlossen. Und noch einen Vorteil hat die Batterie: sie darf oft und gerne auf 100% geladen werden.

Fahrwerk
Das Fahrwerk des BYD SEAL in der AWD-Version (Excellence) arbeitet mit einem intelligenten Tool – iTAC. Dieses „Intelligent Adaption Control System“ arbeitet mit einer Drehmomentverschiebung, angemessenen Reduzierung des Drehmoments oder Ausgabe eines negativen Drehmoments und anderen Kontrollmethoden. Das Ergebnis kann sich sehen lassen – noch nie hat ein Elektroauto die Rüttelstrecken der e-engine Normrunde so glattgebügelt, wie der SEAL. Nicht mal der bisherige Primus in dieser Disziplin, der Mercedes EQC, kann da mithalten. Und kein Elektroauto hat bislang eine solche Sicherheit durch die Straßenlage vermittelt, wie der SEAL. Hier hat auch der Polestar 2 Performance, bzw. der BMW i4 M50 seinen Meister gefunden. 

Die Rekuperation überraschte uns zunächst. Wir empfanden sie als viel zu „lasch“, auch in der höchsten Einstellung. Im Verlauf der Testfahrt jedoch kristallisierte sich heraus, dass der SEAL genau richtig austariert war. Zwar ist Ein-Pedal-Fahren bis zum Stillstand nicht möglich, die Charakteristik erinnert aber eher an die „Auto-Einstellung“ von Volvo. Der Effekt: flüssigeres Fahren, wenngleich die Bremse für den kompletten Stillstand zum Einsatz kommen muss. Das ist aber beileibe kein Nachteil.

Aufgeräumter Arbeitsplatz, die wichtigsten Knöpfe und Regler (Lautstärke) sind physisch vorhanden.

Interieur
Das Interieur des SEAL ist gelungen. Die Materialien sind hochwertig, wenngleich auch hier teilweise Klavierlack-Plastik-Applikationen zu finden sind. Positiv zu vermerken wäre der Einsatz von physikalischen Schaltern auf der Mittelkonsole, dem Lenkrad und in der Türe. Angenehm ist auch das kleine Instrument hinter dem Lenkrad, das die wichtigsten Fahrinformationen enthält. Ein Blick auf den großen Touchscreen in der Mittelkonsole ist also nicht nötig. Der lässt sich übrigens wie bei allen BYDs von Quer- auf Hochformat drehen. Das Tüpfelchen auf dem „i“ ist das serienmäßige HUD in der Excellence-Version, das die wichtigsten Informationen anzeigt.

Dynaudio Soundanlage, viel Platz im Fond, bequeme Sitze mit Heizung und Lüftung vorne.

Die Platzverhältnisse sind dank des langen Radstands üppig, die Kopffreiheit ausreichend, unter anderem wegen des serienmäßigen Glasdachs. Hinten haben tatsächlich 3 Personen Platz, auch wenn man die dritte, mittig sitzende, Person nicht unbedingt von Hamburg nach München chauffieren möchte. Der Frunk ist klein und gerade ausreichend (53 Liter) für das übliche Ladekabel-Wirrwarr. Der Kofferraum indessen ist mit 400 Litern etwas knapp bemessen, vor allem wegen der kleinen Ladeöffnung. Natürlich lässt sich die Rückbank asysmmetrisch umklappen.

Parken wird zum Kinderspiel. Der BYD SEAL verfügt wie so viele Autos über eine hervorragende Parkansicht im Display.

Fahreindruck
Wir konnten die e-engine Normrunde fahren, die diesmal aber nicht in die offizielle Wertung einfließt. Der Grund: es regnete zeitweise äußerst stark und zudem war auf der Teststecke eine Menge Lkw-Verkehr. Das ist ungewöhnlich. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war entsprechend niedrig mit 63 km/h. Trotzdem verbrauchte der SEAL nur 18,6 kWh bei einer Außentemperatur von 11-14°C. Über die gesamte Testfahrt, die Autobahn- und Stadtetappen enthielt, verbrauchte der SEAL laut Display 17,3 kWh. Apropos Autobahn: Der Wagen wird erst bei 188 km/h (Tachoanzeige) abgeregelt – das haben wir bei abtrocknender Fahrbahn ausprobiert. In unserer durchaus nicht sparsamen Fahrweise wäre der Wagen, nachgerechnet, 373 km weit gekommen, deutlich über 400 km sind bei optimalen Bedingungen also drin.

Aber selbst bei den prekären Straßenverhältnissen ließ sich der Stromer äußerst sicher in die Kurven hieven. Die Lenkung vermittelte einen straffen, direkten Eindruck selbst bei der „Komfort-Einstellung“, die im Übrigen genug „Bumms“ bereithält. Die Fahrbahnbeschaffenheit ließ sich sogar im Lenkverhalten erahnen – das fanden wir erstaunlich. Der Sport-Modus hingegen ist nichts für Grobmotoriker. Allerdings lässt sich nur hier die komplette Leistung des Autos abrufen. 

Der Kofferraum ist mit 400 Litern etwas knapp bemessen, vor allem wegen der kleinen Ladeöffnung

Fazit
Auch wenn der SEAL vermutlich beim Verbrauch nicht die Werte eines Tesla Model 3 erreicht, sind so gut wie alle anderen Features dem Amerikaner überlegen mit Ausnahme der Ladeleistung. Das Fahrwerk bleibt selbst bei sportlicher Fahrweise (und Einstellung) kommod und äußerst sicher dank der iTAC-Technologie. Der Innengeräuschpegel des SEAL ist so niedrig, dass Autobahngeschwindigkeiten um die 150 km/h sich anfühlen, als würde man gerade mal 100 km/h fahren – und das bei regennasser Fahrbahn. Kein Stromer, den wir bislang gefahren haben, „fühlte“ sich leiser an, auch nicht der NIO ET7, der in dieser Hinsicht Massstäbe setzt. Alle SEALs verfügen übrigens über eine Wärmepumpe, die von -30° bis +60° C arbeitet und V2L (Vehicle-Top-Load)-Funktionalität.

Der SEAL kommt mit RADAR, Ultraschall, einer tollen Einparkdarstellung mit Top-Ansicht, die eine „Felgenvernichtung“ der serienmäßigen 19 Zöller faktisch verunmöglicht. Hinzu kommen CarPlay und Android-Auto, Apps, ein ultraschnell reagierender Touchscreen sowie beheizbare und für den Sommer belüftete Sitze. Die Sitze sind bequem mit guter Lordosenstütze. Und dann sind da die Lenkstockhebel, die es beispielsweise im Tesla nicht mehr gibt. Kurz: der SEAL macht fast alles einen Tick besser als der bisherige Benchmark, den er unserer Ansicht nach ablöst. Was das Preis-/Leistungsverhältnis betrifft, ist der SEAL ohnehin konkurrenzlos. 

Text: Bernd Maier-Leppla
Fotos: 
Aufmacher: Bernd Maier-Leppla 
Bilder im Text: BYD

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