Die gute Milch machts! – Die Milchwerke Berchtesgadener Land setzen auf Nachhaltigkeit

Folge 1

Oft schrumpfen idyllische Vorstellungen bei genauerem Hinsehen fast bis zur Unkenntlichkeit, bisweilen halten sie aber auch dem kritischen Blick stand und erweisen sich als Realität. Dann allerdings meist in einem zeitgemäßen, modernen Kontext, und nicht als statisch-schöner vorindustrieller Anachronismus. Die gehörnte Kuh mit treu blickenden Augen, glücklich inmitten eines Alpenwiesen-Blumenflors, vor der ikonischen Berg-Kulisse des sagenumwobenen Untersberg-Massivs. Geradezu klassisch, wenn sie noch vom unverkennbaren Bergbauern flankiert wird, der sich sichtlich um sein Tier kümmert und mit diesem ein untrennbares Team bildet. Hier trinke ich Milch, esse ich genüsslich Joghurt, mit dem besten Gewissen, das man dabei nur haben kann! So oder ähnlich werben viele Anbieter von Milchprodukten und es beschleicht einem die Ahnung, dass die alpine Bergwelt von Millionen von weidenden Rindern bevölkert sein müsste.

Alpenmilch: keine geschützte Bezeichnung

In Wirklichkeit stammt ein beträchtlicher Teil der oft zu Niedrigstpreisen angebotenen Milch heutzutage von lebenden „Produktionsmaschinen“, die selten bis nie eine Weide sehen. Damit diese Hochleistungskreaturen auch richtig funktionieren, wird ihnen reichlich Kraftfutter verabreicht und wenn sie dann ausgepowert nach nur wenigen Jahren nicht mehr wie gewünscht liefern, führt ihr Weg sogleich zum Metzger.

Dass mancher Marketing-Fake aufgeht, kommt u.a. daher, weil etwa die Bezeichnung Alpenmilch nicht geschützt ist, sondern lediglich ein Werbebegriff, dem keine verlässlichen Kriterien etwa zur Weidehaltung oder der Fütterung zugrunde liegen. Für manche Produzenten genügt es, wenn der Stall irgendwo südlich der Donau liegt, andere Molkereien geben sich strengere Vorgaben zur Alpenmilch. Von einer solchen, deren Einzugsbereich entlang des nördlichen Alpenkamms vom Watzmann bis zur Zugspitze reicht, handelt dieser Beitrag.

Es geht auch anders, wirtschaftlich wie ökologisch

Die in Piding zwischen Berchtesgaden und Salzburg bereits seit 1927 angesiedelte „Molkerei Berchtesgadener Land“ hat sich konsequent der Nachhaltigkeit, auch der wirtschaftlichen, verschrieben. Als genossenschaftliche Vereinigung von heute ca. 1.800 bäuerlichen Betrieben, davon 600 Bio-Höfe, wird ihr ökonomisches Handeln von eben diesen Anteilseignern bestimmt und zeichnet sich dadurch aus, dass den Bauernhöfen die Milch zu fairen Konditionen abgenommen wird. Das ermöglicht diesen einen sicheren Absatz und die Haltung der Kühe nach artgerechten Grundsätzen.

So gibt es hier natürlich kein gentechnisch verändertes Futter, keinen interkontinentalen Milchtransport, keinen Einsatz von Totalherbiziden und kein Soja aus Übersee. Damit wird ein essentieller Beitrag zur Biodiversität ebenso geleistet wie zur Schonung von natürlichen Ressourcen wie Wasser oder Energie.

Jährlich veröffentlicht die Molkerei einen Nachhaltigkeitsbericht

Alle Produkte der Molkerei Berchtesgadener Land sind nachhaltig, in verschiedenen Abstufungen. Etwa 100 Bauern erzeugen bereits „Demeter-Qualität“, also nach den strengsten Bio-Richtlinien biodynamisch. Aber auch die Milch der anderen Klassen stammt von bäuerlichen Familienbetrieben und wird unter strengen Kriterien weiterverarbeitet. Seit 2013 wurden zudem zahlreiche Rohstoffe im Bio-Sortiment schrittweise auf Fair-Qualität umgestellt. Langfristiges Ziel ist, alle bio & fair verfügbaren Rohstoffe in den „Naturland Fair“ zertifizierten Berchtesgadener Land Produkten einzusetzen.

„Ein fairer, überdurchschnittlicher Milchpreis für unsere Genossenschaftslandwirte ist Ausgangspunkt für eine nachhaltige Wertschöpfungskette in der Milchwirtschaft. Mit Bewegungsprämien und Weideseminaren fördern wir das Tierwohl. Eine ressourcenschonende Milchabholung, eine effiziente Energienutzung bei der Verarbeitung mit eigener Energiezentrale und Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen runden unser nachhaltiges Engagement ab, für das wir den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2019 erhalten haben“,
so Bernhard Pointner, der Geschäftsführer der Genossenschaft.

Geschäftsführer Bernhard Pointner vertritt und fördert die Nachhaltigkeitsstrategie der Molkerei

Nachhaltigkeit als Leitprinzip

Das Prinzip der extensiven Landwirtschaft und der regionalen und ressourcenschonenden Verarbeitung setzt sich in allen Unternehmensbereichen fort. So sind alle Produktionsschritte diesem Prinzip unterworfen, das Qualität vor Quantität und Effizienz vor Gewinnmaximierung um jeden Preis setzt. Gleiches gilt für den Vertrieb, der über einen firmeneigenen Fuhrpark verfügt. Dieser wird kontinuierlich modernisiert indem ältere Fahrzeuge durch abgasärmere und effizientere laufend ersetzt werden. Die CO2-Emissionen werden zusätzlich dadurch signifikant gesenkt, dass auch Milchlaster im Einsatz sind, die über mehrere Tanks verfügen, wodurch derselbe LKW Milch unterschiedlicher Qualität – von konventionellen, Naturland- und Demeter-Erzeugern – aufnehmen kann und nicht mehrere Fahrzeuge dieselbe Route abfahren müssen. In den vergangenen Jahren konnte durch diese Maßnahmen der Treibstoffverbrauch für die Milchabholung um 22 Prozent reduziert werden.

Auch in anderen Bereichen wird ressourceneffizient gearbeitet, etwa beim Einsatz umweltfreundlicher Energie. Dazu wurde für die Stromerzeugung auf dem Molkereigelände eine eigene Energiezentrale mit Kraft-Wärme-Kopplung gebaut. So wird beispielsweise deren Abwärme für Erhitzungsprozesse in der Produktion, zur Gebäudeheizung und Warmwasseraufbereitung genutzt.

Die Milchwerke setzen sich für den Erhalt der Biodiversität ein und unterstützen dabei Vorhaben zum Schutz von Insekten und gesunden Böden. Dazu beteiligte man sich z.B. am Projekt „Wild und Kultiviert“ der Biosphärenregion Berchtesgadener Land mit dem Ziel der Erhaltung und Neuanlage von Blühwiesen. Seither werden artenreiche Wiesen beerntet und die gewonnenen Blühsamen zur Neuanlage von artenreichen Flächen von Schulen, Unternehmen und kommunalen Flächen im Landkreis BGL verwendet.

Landwirte nutzen eine eigens entwickelte Samenmischung aus 28 Gräser- und Kräuter-Arten zur Anreicherung von Grünlandstandorten. Zwei Bienenvölker werden seit 2016 auf dem Betriebsgelände gehalten und von den Auszubildenden betreut, die so neben dem Fachwissen im Team vieles über Naturschutz und Artenvielfalt erfahren.

Ebenfalls im Sortiment: Ein bunte Blumenwiese für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge.

Auch um das Tierwohl kümmert sich die Molkerei in besonderer Weise. So werden z.B. seit 2017 Bewegungs-Prämien gezahlt, wenn die Kühe mindestens 120 Tage auf der Weide verbringen, sich im Laufstall oder auf Auslaufflächen frei bewegen können.

Seit 2014 wird jährlich ein Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, an dem der erreichte Stand „abgelesen“ werden kann und der jeweils die Ziele für die Folgejahre vorgibt. Zudem kümmert sich eine eigene Nachhaltigkeitsbeauftragte um alle Umweltbelange des Unternehmens.

Die braune Mehrwegflasche der Bio-Milch liegt voll im „no-plastik-Trend“

Mobilitätsangebote für MitarbeiterInnen

Die über fünfhundert Mitarbeiter kommen aus der Region und haben die Möglichkeit, über das Jobrad-Modell Fahrräder oder E-Bikes für ihren Arbeitsweg, aber auch für ihre Freizeit, zu nutzen. Bei diesem Konzept wird ein Teil des Gehalts in die Nutzung eines Sachwertes, hier also eines Zweirads, umgewandelt. Die monatliche Leasingrate wird vom Bruttolohn abgezogen, der dadurch etwas sinkt, und mit ihm auch die Lohnbestandteile, die abgezogen werden. Die steuerlichen Vorteile erlauben es den Beschäftigten, gegenüber dem Barkauf 25 bis zu 35 Prozent des Kaufpreises zu sparen. Aktuell hat die Molkerei 100 Job-Radler, der Pedelec-Anteil beträgt 88 Prozent. Den E-Bikern steht sogar ein eigener Parkplatz mit Ladestation zur Verfügung. Mit einem geplanten neuen Parkhaus mit Lademöglichkeiten

für E-Autos reagiert die Molkerei auf die steigende Elektromobilität bei den Mitarbeiterinnen.

Bereits 100 MitarbeiterInnen nutzen Räder oder E-Bikes auf dem Arbeitsweg

Qualifikation und Motivation

Auch auf die permanente Weiterbildung und Qualifikation der Mitarbeiter und Mitgliedsbauern legt das Unternehmen großen Wert. Den Landwirten wird dazu eine Vielfalt an Kursen in der „Wissenswerkstatt“ angeboten. Themen wie Artenvielfalt, Humusaufbau, Stallbau- und Weideseminare gehören ebenso zum Bildungsprogramm, wie regelmäßige Kurse und Arbeitsgruppentreffen zu Grundlagen der Homöopathie, zu homöopathischen Heilmethoden, Euterentzündungen oder Kälber- und Klauengesundheit. Zudem wird der wichtige Austausch der Genossenschaftsmitglieder untereinander durch diese Treffen gefördert.

Das „20 für 2020“-Ziel

Ein Aushängeschild der Molkerei sind die nach den strengen Demeter-Kriterien wirtschaftenden Genossenschaftsbauern. Doch Demeter-Milch ist nur begrenzt vorhanden. Um die steigende Nachfrage befriedigen zu können, engagiert sich die Molkerei zusammen mit dem Demeter-Verband aktiv bei der Umstellung der Höfe auf den höchsten Bio-Standard. So wurde vor einem Jahr das Ziel „20 in 2020“ ausgegeben, also 20 neue Demeter-Betriebe in 2020 zu akquirieren. Als zusätzlichen Anreiz hob man den Demeter-Zuschlag zur Bio-Milch nochmals um 0,5 Cent auf nun 2 Cent/kg Milch an. Insgesamt konnte die Molkerei tatsächlich 20 umstellungswilligen Betrieben die Zusage zur Aufnahme in die Genossenschaft erteilen.

Die nach den Vorgaben von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie, agierende Art der extensiven Landwirtschaft, liegt qualitativ weit oberhalb von staatlichen Bio-Zertifikaten. So muss der Erzeugerbetrieb zur Gänze nach Demeter-Maßgaben wirtschaften, nicht nur zu Teilen. Fünfzig Prozent des eingesetzten Futters müssen vom eigenen Betrieb stammen, einmal jährlich wird streng kontrolliert. Und die Kühe tragen – aus mehreren Gründen – ganz selbstverständlich Hörner.

Inzwischen eine Rarität: Sämtliche Rinder von Demeter-Betrieben tragen noch Hörner

Die Demeter Bio-Alpenmilch in der Mehrwegflasche ist bereits seit 1990 im Handel. Sie wird möglichst naturbelassen, ihr Fettgehalt beträgt mindestens 3,8% und sie wird nicht homogenisiert. Kunden können dies an der Rahmschicht erkennen, die sich im Flaschenhals bildet. Damit ihre wertvollen Inhaltsstoffe dieses besonders natürlichen und frischen Produktes vor unerwünschtem Lichteinfall geschützt bleiben, wird diese Demeter-Milch ausschließlich in brauen, umweltfreundlichen Mehrwegflaschen vertrieben.

In der zweiten Folge unserer Reportage über die Berchtesgadener Land Molkerei berichten wir demnächst über folgende Themen:

  • Warum tragen Rinder von Demeter-Betrieben noch Hörner?
  • Allgemein: Funktionen der Hörner
  • Best Practice Beispiel der Hof von Fam. Fuchs
  • Aktuelle Entwicklungen bei den Milchwerken z.B. Förderprogramm „Zukunftsbauer“

https://bergbauernmilch.de/

Text: Peter Grett
Bilder 1-6: Milchwerke Berchtesgadener Land
Bild 7: Hermann Fuchs

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