Umwelt- bzw. Klimaschutz gewinnen auch im Sport immer mehr an Bedeutung. Dies trifft insbesondere auf den Profifußball zu, da deren Verbände und Vereine mehr als bei anderen Sportarten im Rampenlicht einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit stehen. Dass es hier nicht nur um grüne Imagepflege gehen kann, sondern dringender Handlungsbedarf besteht, wird allein an zwei Beispielen deutlich: So wurden bei der Fußballeuropameisterschaft 2016 in Frankreich nach Angaben der UEFA mehr als 2,8 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Das entspricht ungefähr 2,6 Millionen Flugreisen Paris–New York hin und zurück. Und schon vor Jahren stellte die Deutsche Umwelthilfe fest, dass alleine in einer Saison der Fußballbundesliga 11,5 Millionen Einwegbecher in den Stadien angefallen sind.
Verbands-Initiativen
Ein deutliches Zeichen für mehr Umweltschutz setzte jüngst die Deutsche Fußball-Liga (DFL) als Verband der 36 Vereine der 1. und 2. Bundesliga, indem sie beschloss, Nachhaltigkeit künftig als Kriterium bei der Lizenzvergabe einzubeziehen.
„Als erste große Profifußball-Ligen nehmen die Bundesliga und 2. Bundesliga Nachhaltigkeitskriterien verpflichtend in ihre Lizenzierungsordnung auf.“
Aus dem Beschlussprotokoll der DFL-Mitgliederversammlung vom 14.12.2021
Die Zahl der Clubs, die Umweltreports vorlegen und CSR-Beauftragte einstellen, nimmt beständig zu. Die Gründe dafür liegen zum einen in den genannten Lizensierungs-Auflagen, aber auch darin, dass etwa bei Mitgliederversammlungen immer häufiger Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit und sozialem Engagement eingebracht werden. Und nicht zuletzt sorgt auch eine kritische Berichterstattung seitens der Medien für zunehmenden Handlungsdruck auf die Vereine.
Doch nicht nur die Deutsche Fußball-Liga, auch der für die 3. Liga, die Amateurvereine und die Nationalmannschaft zuständige Deutsche Fußball Bund (DFB) möchte die Clubs zu mehr sozialem und ökologischen Engagement animieren. Ein Beispiel dafür ist ein Ideenkatalog, in dem 87 Einzelmaßnahmen aufgelistet sind.
Auch der Verband selbst hat ein Nachhaltigkeitsmanagement eingerichtet, dessen Verantwortung beim DFB-Vizepräsidenten für Sozial- und Gesellschaftspolitik liegt. Er wird durch die Kommission Gesellschaftliche Verantwortung, die mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Regional- und Landesverbänden sowie anderer sportlicher und gesellschaftlicher Verbände und Organisationen besetzt ist, beraten und unterstützt. Die konkrete Themenbearbeitung findet in den verschiedenen Arbeitsgruppen statt. Zudem unterzeichnete der DFB im Januar 2020 eine Selbstverpflichtungserklärung beim „Sports for Climate Action Framework“ der Vereinten Nationen und definierte damit den Startschuss für ein deutlich stärkeres Engagement in diesem Themenfeld.
Vereine werden aktiv – Beispiele 1. FC Köln und Borussia Dortmund
Bei den Vereinen der Fußballbundesliga bewegt sich bereits einiges. Zu nennen wären hier etwa der VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen, die TSG Hoffenheim, der SC Freiburg, der VfB Stuttgart, der FSV Mainz 05 und der 1. FC Köln. Letztere streben sogar an, in puncto Nachhaltigkeit Vorreiter in der Profiliga zu werden. Als erster Bundesligist erlangten die Kölner ein Zertifikat nach dem Nachhaltigkeits-Standard des Zentrums für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) der Universität Witten/Herdecke. Für die erfolgreiche Zertifizierung musste der 1. FC anhand von 44 Einzelkriterien messbare Leistungen in den Bereichen Umwelt, Wirtschaft und Soziales nachweisen. Zahlreiche Aspekte – vom Wasserverbrauch bei der Platzpflege bis zur Wertevermittlung in den Nachwuchsteams – wurden dabei durchleuchtet. Ein abteilungsübergreifendes Nachhaltigkeitsteam aus gut einem Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des FC arbeitete mehr als sieben Monate auf die erfolgreiche Zertifizierung hin. Das mehrstufige Zertifizierungsverfahren durch den TÜV Rheinland Cert beinhaltete Prüftermine in Geißbockheim, Sportinternat und Fanshop. Zum ZNU-Standard gehört zudem, dass die Nachhaltigkeitsfortschritte des FC künftig jährlich kontrolliert werden.
Als erster Bundesligist und zweiter Europäischer Fußballklub überhaupt hat Borussia Dortmund (BVB) den Global Compact der Vereinten Nationen unterzeichnet. Der UN Global Compact (UNGC) ist die freiwillige Wirtschaftsinitiative der Vereinten Nationen für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung. Mit seinem Beitritt verspricht der Verein, seine Strategie und seine Tätigkeiten an bestimmten Prinzipien auszurichten. Zehn Prinzipien umfassen die Einhaltung der Menschenrechte und der internationalen Arbeitsnormen, den Umweltschutz und die Korruptionsbekämpfung.
„Es gibt nur einen Planeten, auf dem wir Fußball spielen können“
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zur Relevanz des nachhaltigen Handels
Schon vor Jahren begann der BVB damit, einen jährlichen Nachhaltigkeitsreport zu erstellen und im Rahmen einer Pressekonferenz zu präsentieren. Denn Maßnahmen zu verkünden, die zu einem positiven Image des Vereins beitragen sollen, ist das Eine, sie umzusetzen und transparent zu kommunizieren, das Andere. Dass es sich dabei naturgemäß nicht in allen Bereichen um eine Erfolgsgeschichte handeln kann, leuchtet ein. „Not perfect, but better“ lautet etwa die Nachhaltigkeits-Devise des FC St. Pauli.
Beispiel RB Leipzig
Erst kürzlich stellte auch RB Leipzig seine neue Nachhaltigkeitsstrategie vor. Mit dem seit Januar 2022 neu geschaffenen Geschäftsbereich „Sustainability & International Development“ übernimmt der Verein Umwelt-Verantwortung. Die Bedeutung des Themas unterstreicht der Bundesligist, indem er die Abteilung direkt an Geschäftsführer Johann Plenge berichten lässt, der den Bereich Strategie und Unternehmensentwicklung seit Anfang des Jahres verantwortet.
Laut RB soll „die Integration von nachhaltigem Denken und Handeln sich durch alle Geschäftsbereiche ziehen und neue Formen der Zusammenarbeit hervorbringen“. Das Bündel der geplanten Aktivitäten umfasst zahlreiche Einzelmaßnahmen, wobei das Angebot an „Veggie Food“, also veganen Produkten, die den Fans während des Spiels angeboten werden, besonders ins Auge sticht. Der Verein kooperiert dabei mit dem Unternehmen „Veganz“ und zeigt so, „dass vegane Ernährung auch im Stadion dazugehört.“ Bemerkenswert: die vegane Bratwurst und die vegane Currywurst werden zum gleichen Preis wie die Fleischprodukte angeboten.
Im Bereich Ökologie wurden drei wesentliche Themenfelder definiert, die innerhalb der Nachhaltigkeitsstrategie bewusst verfolgt werden. Innerhalb dieser Themen gibt es bereits einige Maßnahmen, die angegangen wurden. Dazu gehören u.a.
- Ermittlung des CO2-Fußabdruckes mit dem Ziel einer schrittweisen Reduktion
- Implementierung eines Energiemanagements nach ISO 50001
- Vermeidung und Reduktion von Plastik (insbesondere Einweg)
- Vegetarische und vegane Speisenangebote für Sportlerinnen und Sportler sowie Mitarbeitende
- Umbau der RBL-Fahrzeugflotte hin zu Hybrid und E-Fahrzeugen
- Ausbau der E-Lade-Infrastruktur
- Unterstützung der klimafreundlichen Mobilität für Fans und Mitarbeitende, z. B. Jobtickets, kostenfreies Angebot für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs mit den RBL-Tickets, „JobRad“ für Mitarbeitende
- Mobile-Ticketing
- Umstellung auf digitale Info-Formate für Fans
Spezielle Maßnahmen in der Arena
- Wechsel auf LED-Flutlicht
- vegetarische und vegane Speisenangebote
- Pfandbechersystem
- Wahl regionaler Partnern und Dienstleistern
- Fahrradgarage für Fans und VIP-Gäste am Spieltag
- Public Catering: alle Verpackungen aus Recycling-Material
- Bio-Süßigkeiten und Bio-Softdrinks
- wassersparende WC-Systeme
- Weitergabe der alten Stadionsitze an lokale Vereine sowie Recycling der alten Sitze (in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig)
- Gemeinsames Projekt „SEATainability” mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig)
Beispiel FC St. Pauli
Der Hamburger Kult-Club möchte so schnell wie möglich Klimafreundlichkeit herstellen. Dazu vermeldet der Verein: „Vor dem Hintergrund seiner ökonomischen und sozialen Verantwortung definiert der FC St. Pauli nachhaltiges Handeln als Kernthema seiner zukünftigen Ausrichtung und stellt die Weichen für eine klimagerechte Entscheidungsfindung.“
Auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit hat sich der FC St. Pauli bereits 2016 nach einem Antrag auf der Mitgliederversammlung gemacht, wonach das Merchandising künftig fair und nachhaltig zu produzieren sei. Es folgte schon bald eine erste nachhaltige Totenkopfkollektion, ein eigenes Trikot und eine eigene Sportkollektion. Dass diese Maßnahmen konsequent und transparent durchgeführt wurden, zeigt sich auch in der Veröffentlichung der „Cum Ratione – Gesellschaft für Aufklärung und Technik“, in welcher die Ergebnisse einer Analyse über die Umweltfreundlichkeit und Sozialverträglichkeit der Fan-shop-Artikel der Vereine dokumentiert wird. Hier landen die Hamburger in den Top 5 des Rankings. Spitzenreiter sind hier die „Eisernen“ vom FC Union Berlin. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung von findet sich hier:
https://www.cum-ratione.org/wp-content/uploads/cumratione_Praesentation_DIGITAL.pdf
Im Herbst 2020 begann schließlich die intensivere Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Thema. Gemeinsam mit fünf anderen Bundesligisten unterzog sich der Verein in einem Pilotprojekt einer Nachhaltigkeitszertifizierung durch den sustainClub. Neben den Ergebnissen der sustainClub-Analyse wurden auch andere Zertifizierungssysteme wie der Deutsche Nachhaltigkeitsindex oder die Gemeinwohlbilanz in einer ersten Bestandsaufnahme berücksichtigt.
Auf dieser Basis wurde ein Konzeptionsprozess begonnen, an dem insgesamt 51 Personen in mehreren Arbeitsgruppen, neben hauptamtlich Beschäftigten des Vereins, auch Fans und Mitglieder Ziele und Meilensteine für den FC St. Pauli erarbeitet haben. Wichtig ist dem Verein, „dass dieser Prozess stets transparent und unter der Einbeziehung der Mitglieder, Mitarbeiter, Fans und Partner des Vereins weitergeführt wird. Wesentlich ist dafür, dass der Fortschritt in Zukunft messbar sein wird“.
Es gibt noch viel zu tun!
Noch stehen manche Umweltmaßnahmen der Proficlubs nur auf dem Papier, noch setzen sich einige Vereine nicht mit dem Nachhaltigkeitsthema auseinander. Wie unsere Best Practice Beispiele zeigen, wäre jedoch trotz aller Vollzugsdefizite ein pauschaler Vorwurf von Ignoranz oder Greenwashing an die Vereine unangebracht. Zentrale Elemente einer Umweltbilanzierung bzw. einer CSR-Zertifizierung sollten künftig insbesondere Bereiche umfassen, die mit Klimaschutz – und aktuell – mit der Verminderung der Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger zusammenhängen: Mobilität und Energie. So macht etwa die Fan-Mobilität nach Angaben des Öko-Instituts rund 60 bis 80 Prozent der gesamten CO2-Bilanz eines Vereins aus. Wie man hier ansetzen kann, zeigt beispielsweise Werder Bremen mit einem Mobilitätskonzept, das es den Zuschauerinnen sogar ermöglicht, mit dem Leihfahrrad oder der Fähre zum Stadion zu fahren. Und auch der SC Freiburg, ohnehin ein glänzendes Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit, animiert seine Fans mit attraktiven Angeboten, nicht mit dem Auto anzureisen.
Nachhaltigkeitsspecial der „Stadionwelt“
Was sich sonst noch alles tut in Sachen Nachhaltigkeit im Sport und speziell im Fußball-Business können Interessierte ab Mai im Special NACHHALTIGKEIT des Magazins „Stadionwelt“ nachlesen. Es beschäftigt sich mit Themen rund um den Klima- und Umweltschutz in Stadien und Arenen. Es bietet Ansätze und Maßnahmen rund um Nachhaltigkeit, stellt einzelne Projekte vor und es kommen Verantwortliche zu Wort. Die Publikation bietet Definitionsansätze hinsichtlich des nachhaltigen Handelns und deckt die komplette Bandbreite an Themen ab: Nachhaltigkeit bei Planung und Bau von Sportstätten, im Bereich der Ausstattung und Infrastruktur – oder aber hinsichtlich der diversen Management-Disziplinen.
Am 7. April erfahren Sie in der Folge 2 unserer Serie, wie sich die Vereine der Elektrifizierung Ihrer Fuhrparke widmen.
Text: Peter Grett
Bilder:
Aufmacher: Opel Automobile
Abbildung 1: DFB
Bild 1: Borussia Dortmund
Abbildung 2: RB Leipzig
Abbildung 3: RB Leipzig
Abbildung 4: cum ratione
Bild 2: Volkswagen
Abbildung 5: Stadionwelt
Links:
https://www.dfb.de/umwelt-und-klimaschutz/umweltschutz-im-verein/ideenkatalog/
https://unfccc.int/climate-action/sectoral-engagement/sports-for-climate-action
https://www.deutschlandfunkkultur.de/nachhaltigkeit-im-sport-fussballvereine-machen-sich-100.html
https://www.stadionwelt.de/news/31930/fc-st-pauli-stellt-weichen-fuer-nachhaltiges-handeln
https://www.cum-ratione.org/wp-content/uploads/cumratione_Praesentation_DIGITAL.pdf
https://www.stadionwelt.de/news/36648/stadionwelt-veroeffentlicht-special-nachhaltigkeit